Britische Ärztinnen und Ärzte schlagen Alarm wegen eines deutlichen Anstiegs von Krankheiten, die als „viktorianisch“ gelten – darunter Krätze (Scabies) und Erysipel. Diese Krankheiten treten vermehrt bei Menschen auf, die unter Armut, schlechten Wohnverhältnissen und mangelnder Gesundheitsversorgung leiden. Der Royal College of Physicians (RCP) fordert die britische Regierung daher zu dringenden Maßnahmen auf.
Gesundheitliche Ungleichheiten belasten das System
Eine Umfrage unter 882 Ärzten ergab, dass 89 % über die Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit ihrer Patienten besorgt sind. 72 % berichteten, in den letzten drei Monaten mehr Menschen behandelt zu haben, deren Erkrankungen auf schlechte Wohnbedingungen, Luftverschmutzung oder unzureichenden Zugang zu Verkehrsmitteln zurückzuführen sind. Fast die Hälfte der Befragten gab an, dass soziale Ursachen bei über der Hälfte ihrer Arbeit eine Rolle spielen.
Einige Ärztinnen berichteten von Krätze-Fällen, einer hoch ansteckenden Hautkrankheit, die durch Milben verursacht wird. Andere sahen Patienten mit Unterernährung, was die Genesung bei akuten Erkrankungen verzögert. Auch Unterkühlung durch unbeheizte Wohnungen wurde mehrfach diagnostiziert.
Ärzte sehen Armut als Krankheitsursache
Dr. Ash Bassi, Gastroenterologe aus Merseyside, erklärte, dass viele Erkrankungen durch feuchte und kalte Wohnungen verschärft werden – vor allem chronische Atemwegserkrankungen. Gleichzeitig führe mangelnde Ernährung zu langfristigen Gesundheitsschäden. Menschen mit instabiler Beschäftigung oder finanziellen Problemen würden medizinische Hilfe oft zu spät in Anspruch nehmen.
RCP fordert klare politische Antworten
Dr. John Dean, Vizepräsident des RCP, betonte, dass die Regierung bei Amtsantritt mutige Schritte zur Bekämpfung gesundheitlicher Ursachen angekündigt habe. Nun müsse sie konkret darlegen, wie die Health Mission diese Ziele erreichen und Ursachen wie Armut, schlechte Ernährung, Luftqualität und ungesunde Wohnverhältnisse gezielt bekämpfen soll. Angesichts der Prognose, dass bis 2040 über 2,5 Millionen Menschen in England mit einer schweren Krankheit leben werden, sei keine Zeit zu verlieren.
Regierung verweist auf Präventionsstrategie
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums erklärte, man wolle mit dem „Plan for Change“ gezielt gegen gesundheitliche Ungleichheiten vorgehen. Ziel sei es, die Unterschiede in der gesunden Lebenserwartung zwischen reichen und armen Regionen zu halbieren. Ein stärkerer Fokus auf Prävention solle dabei helfen, das Gesundheitssystem zu entlasten und langfristig gerechter zu gestalten.
Die Aussagen der Ärzteschaft zeigen deutlich: soziale Faktoren sind entscheidend für die Gesundheit, und Politik muss strukturell handeln, um Armut und ihre Folgen nachhaltig zu bekämpfen.