Trainer zweifelt an sich und am Klub – Rücktritt nicht ausgeschlossen
Ruben Amorim hat offen eingeräumt, dass er möglicherweise zurücktritt, wenn Manchester United den Negativtrend nicht stoppt.
Nach dem 0:2 im heimischen Old Trafford gegen West Ham – das acht Partien in Folge ohne Sieg blieb – fand er klare Worte.
Für ihn ist das derzeitige Auftreten des Klubs nicht mehr mit dem Anspruch eines internationalen Topteams vereinbar.
„Wir verlieren unsere Identität als großer Verein“, sagte Amorim.
„Wenn wir eine Niederlage zu Hause einfach hinnehmen, fehlt uns der Stolz.“
Er warnte davor, dass ein Mangel an Angst vor dem Verlieren ein Verein ruinieren kann.
Seit dem 26. Januar konnte United lediglich zwei Liga-Partien gewinnen – gegen die bereits abgestiegenen Ipswich und Leicester.
Mit sieben Spielen ohne Sieg verzeichnet die Mannschaft ihren längsten Negativlauf seit mehr als 30 Jahren.
„Jeder Einzelne hier muss sich die Frage stellen, ob er Teil der Lösung ist – oder Teil des Problems“, sagte Amorim.
Europa-League-Finale lenkt nicht vom Ernst der Lage ab
Obwohl United das Endspiel gegen Tottenham erreicht hat, betrachtet Amorim dies nicht als rettenden Faktor.
„Das Finale ist bei weitem nicht unser größtes Problem“, betonte er.
Stattdessen sehe er eine tiefe strukturelle Krise innerhalb des Vereins.
„Ich nehme mich bei dieser Analyse ausdrücklich mit hinein“, so Amorim.
„Die Kultur in der Mannschaft, im Klub – sie stimmt nicht mehr. Wir müssen sie radikal erneuern.“
Er sprach von einem Wendepunkt in der Klubgeschichte: „Wenn wir so weitermachen, wird sich nichts ändern.“
„Und wenn sich nichts ändert, muss jemand anders übernehmen.“
Aktuell steht United mit 39 Punkten auf Rang 16 – so schlecht wie zuletzt vor dem Abstieg 1930/31.
Nur drei Absteiger und Tottenham schneiden derzeit noch schlechter ab.
Historischer Tiefstand – Rekorde der Niederlage
Amorim nannte die Situation „peinlich und alarmierend“.
Er erinnerte an die Worte von Ralf Rangnick aus dem Jahr 2021: Der Klub brauche eine „offene Herzoperation“.
Diese Diagnose sei heute aktueller denn je.
Mit 17 Niederlagen erlebt United seine verlustreichste Saison seit 1973/74.
Neun Heimniederlagen stellen einen historischen Gleichstand mit drei weiteren Krisenjahren her.
Die aktuelle Sieglos-Serie von sieben Spielen ist ein neuer Negativrekord in der Premier-League-Ära.
In zwölf Heimspielen lag United 0:1 zurück – mehr als je zuvor.
Nur Leicester verzeichnete in dieser Saison noch mehr Rückstände zu Hause.
Gegen West Ham setzte es die erste Heimniederlage seit 2006 – nach 16 sieglosen Heimspielen gegen die Londoner.
West Ham feierte erst den fünften doppelten Liga-Erfolg über Manchester United in seiner Geschichte.
Champions-League-Traum ohne Substanz – finanzielle Abwärtsspirale
Ein Sieg im Finale würde United zwar die Teilnahme an der Champions League sichern und Millionen einbringen.
Doch für Amorim ist das nebensächlich: „Wir haben Probleme, die viel tiefer liegen.“
Die Klubführung – inklusive Sir Jim Ratcliffe und der Glazer-Familie – ringt mit einem Schuldenberg von über 370 Millionen Pfund.
Personalabbau, gestrichene Vergünstigungen und Budgetkürzungen sind bereits Realität.
„Diese kurzfristigen Erfolge lösen keine strukturellen Defizite“, erklärte Amorim.
„Champions League klingt gut – aber in unserem Zustand bringt sie uns kaum weiter.“
Der sportliche Zustand passe nicht zu den internationalen Ambitionen des Klubs.
Erschreckende Gleichgültigkeit auf dem Spielfeld
Amorim kritisierte, dass es seinem Team in der Premier League an Einsatz und Fokus fehle.
„In der Europa League sieht man zumindest einen Funken Wille“, sagte er.
„In der Liga aber wirken wir oft desinteressiert, als sei das Ergebnis egal.“
Er warnte vor einem dauerhaften Imageverlust:
„Wir verteidigen nicht entschlossen, wir greifen nicht mit Zielstrebigkeit an.“
„Niederlagen müssen sich wieder wie Katastrophen anfühlen – sonst sind wir nicht mehr Manchester United.“
Er warf einigen Spielern vor, mit der aktuellen Tabellenlage bereits abgeschlossen zu haben.
„Das Gefühl, nichts mehr verändern zu können, ist hochgefährlich.“
Murphy: Amorim muss in Lösungen denken, nicht in Problemen
Ex-Liverpool-Spieler Danny Murphy kritisierte Amorims Aussagen als zu negativ und destruktiv.
„Ich verstehe seine Frustration, aber es fehlt die positive Vision“, sagte Murphy.
Er riet dem Trainer, mehr Mut zu zeigen und den Fokus auf die Zukunft zu richten.
„Ein ständiger Krisenton hilft der Mannschaft nicht“, erklärte er.
„Ein Trainer sollte Hoffnung vermitteln, nicht nur Defizite benennen.“
Murphy sieht im Sommer eine große Chance:
„Ein Neuaufbau ist möglich – aber nur mit einer Führung, die nach vorn schaut.“