LGBTQ+-Veranstaltungen künftig grundgesetzlich verboten
Das ungarische Parlament hat eine Verfassungsänderung verabschiedet, die öffentliche LGBTQ+-Events wie Pride-Paraden verbietet. Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei trieben das Gesetz voran. Laut Regierung dient die Maßnahme dem Schutz von Kindern. Dennoch werfen Kritiker*innen der Regierung vor, unter dem Vorwand des Kinderschutzes systematisch Grundrechte einzuschränken.
Neu ist auch, dass die Behörden künftig Gesichtserkennung nutzen dürfen, um Teilnehmer*innen an verbotenen Versammlungen zu identifizieren und zu bestrafen.
Gesetzliche Anerkennung für trans und nicht-binäre Menschen aufgehoben
Zusätzlich legt die Verfassungsänderung fest, dass Ungarn nur zwei Geschlechter anerkennt – männlich und weiblich. Für trans und nicht-binäre Personen bedeutet dies, dass sie keinen rechtlichen Anspruch mehr auf Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität haben. Das betrifft unter anderem Ausweisdokumente, aber auch Zugang zu medizinischer Versorgung.
Drohender Verlust der Staatsbürgerschaft für Doppelstaatsangehörige
Ein weiterer Passus erlaubt es der Regierung, ungarischen Staatsbürgerinnen mit doppelter Staatsbürgerschaft die ungarische Nationalität bis zu zehn Jahre lang zu entziehen, wenn sie als Bedrohung eingestuft werden. Dies betrifft ausschließlich Menschen mit einer zweiten Staatsangehörigkeit außerhalb von EU und EWR. Menschenrechtlerinnen sehen darin ein Instrument zur politischen Kontrolle.
Orbán schürt Misstrauen gegenüber ausländischem Einfluss
Ministerpräsident Orbán spricht seit Monaten von einer angeblichen ausländischen Einflussnahme auf Ungarns Innenpolitik. Er behauptet, NGOs, Journalistinnen und Aktivistinnen agierten im Auftrag fremder Regierungen. Diese Rhetorik dient nach Ansicht vieler Beobachter*innen dazu, kritische Stimmen zu diffamieren und innenpolitisch unter Druck zu setzen.
Zivilgesellschaft wehrt sich gegen autoritäre Tendenzen
Im Inland regte sich sofort Widerstand. Die Oppositionspartei Momentum versuchte, das Parlament symbolisch zu blockieren. Aktivistinnen ketteten sich vor dem Gebäude aneinander, wurden jedoch von der Polizei entfernt. Trotz der repressiven Gesetzeslage kündigten die Veranstalterinnen der Budapest Pride an, ihre Parade am 28. Juni durchzuführen. Für sie ist das Gesetz kein Schutz, sondern ein Versuch, queere Menschen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.
EU und internationale Gemeinschaft zeigen klare Haltung
22 europäische Botschaften, darunter die von Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich, äußerten in einer gemeinsamen Erklärung große Sorge. Sie warnten davor, dass in Ungarn grundlegende Rechte wie Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gefährdet sind.
Auch EU-Gleichstellungskommissarin Hadja Lahbib reagierte. Sie betonte, dass jeder Mensch in der Europäischen Union das Recht habe, frei zu leben, zu lieben und friedlich zu demonstrieren. Solche Freiheiten dürften in keinem Mitgliedsstaat eingeschränkt werden.
Forderungen nach rechtlichen Konsequenzen für Ungarn
Mehrere Organisationen, darunter Amnesty International, die Háttér Society und das Ungarische Helsinki-Komitee, rufen die Europäische Kommission auf, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Sie sehen in der Verfassungsänderung einen klaren Bruch mit europäischen Werten und geltendem EU-Recht.
Auch die Ungarische Bürgerrechtsunion kritisiert die Gesetzesänderung scharf. Sie warnt: Der Angriff auf LGBTQ+-Rechte sei nur ein Teil eines umfassenderen Plans. Ziel sei es, öffentliche Kritik zum Schweigen zu bringen und die Macht der Regierung weiter zu festigen. Deshalb sei nun entschlossenes Handeln auf EU-Ebene gefragt.