Ultimatum für Tel Aviv
Die EU will Israels Vorgehen in Gaza nicht länger unbeantwortet lassen. Außenbeauftragte Kaja Kallas kündigte nach Beratungen mit den 27 EU-Außenministern in Brüssel an: Sollte sich die Lage in Gaza nicht verbessern, werde man im Juli über Konsequenzen diskutieren – darunter mögliche Einschränkungen im EU-Israel-Assoziierungsabkommen.
„Unser Ziel bleibt, die Situation vor Ort zu verändern“, erklärte Kallas. „Wenn sich nichts tut, besprechen wir im Juli weitere Schritte.“ Hintergrund ist ein Bericht, den Kallas den Ministern vorlegte. Auf acht Seiten listet er Hinweise auf Menschenrechtsverstöße Israels nach Artikel 2 des Abkommens auf.
Die betroffenen Punkte umfassen unter anderem den eingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe, Luftangriffe auf Krankenhäuser sowie die Vertreibung palästinensischer Zivilisten. Die EU will mit Nachdruck klären, ob Tel Aviv gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt.
Kritik aus Israel und neue Spannungen
Der Bericht wurde von Israels Außenministerium scharf zurückgewiesen. In einem Schreiben an die EU heißt es, die Einschätzungen seien nicht ernst zu nehmen und dürften keine Grundlage für künftige Entscheidungen bilden.
Zugleich herrscht in der Region ohnehin höchste Anspannung. Nur 24 Stunden vor dem EU-Treffen beteiligten sich die USA an israelischen Angriffen auf iranische Nuklearanlagen. Europäische Diplomaten räumen ein, dass dies die Dynamik verändert: „Die US-Militäraktionen werfen viele neue Fragen auf“, sagte ein EU-Beamter.
Kallas betonte dennoch die Trennung beider Konflikte – Gaza und Iran –, verwies aber auf die komplexe Lage. Die Reaktionen innerhalb der EU seien bislang zögerlich gewesen. Einig sei man sich darin, Israels Vorgehen genauer zu prüfen.
Teilweise Aussetzung des Abkommens möglich
Ein vollständiges Einfrieren des Assoziierungsabkommens gilt aktuell als unwahrscheinlich, da keine Einigkeit unter den Mitgliedstaaten herrscht. Dennoch prüft Kallas nun gemeinsam mit der EU-Kommission Alternativen.
In der Diskussion stehen gezielte Einschränkungen einzelner Kapitel des Abkommens, etwa in den Bereichen Handel, Forschung oder Technologietransfer. Dafür wäre keine Einstimmigkeit notwendig, sondern eine qualifizierte Mehrheit: mindestens 55 Prozent der Länder, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
„Die konkrete Frage ist: Worauf können wir uns wirklich einigen?“, fragte Kallas am Ende der Gespräche – und machte deutlich, dass sie im Juli Antworten erwartet.