Die Fassade des totalen Erfolgs
Donald Trump verlangt, dass die Welt seine Version akzeptiert: Irans Atomprogramm sei ausgelöscht. Diese Behauptung ist zentral für sein politisches Selbstbild. Er stellt sich als entschlossener, überlegener Anführer dar – eine Figur, die niemals zögert, niemals scheitert. Jede Information, die dieses Bild ins Wanken bringt, wird bekämpft.
Gleichzeitig würde das Eingeständnis, dass Iran noch nukleare Fähigkeiten besitzt oder sie wiederherstellen kann, Trump vor ein gefährliches Dilemma stellen. Müsste Amerika erneut militärisch eingreifen? Eine solche Perspektive widerspricht Trumps erklärtem Ziel, neue Kriege zu vermeiden, und könnte seine Unterstützer verunsichern.
Um jeden Zweifel zu unterdrücken, attackiert Trumps Regierung gezielt Medienberichte, die eine zurückhaltendere Einschätzung der Angriffserfolge enthalten – darunter eine „low confidence“-Analyse des US-Verteidigungsnachrichtendienstes.
Rhetorik ersetzt Beweise
Auf dem NATO-Gipfel erklärte Trump die Angriffe zum historischen Erfolg. Er sprach von „Obliteration“ und davon, dass keine andere Armee auf der Welt dazu fähig gewesen wäre. Verteidigungsminister Pete Hegseth griff daraufhin Medien an, die über Zweifel an der Operation berichteten, und warf ihnen politische Voreingenommenheit vor.
Zur Stützung ihrer Darstellung verwies die Regierung auf Aussagen des israelischen Militärs und CIA-Direktor John Ratcliffe, die von erheblichen Schäden sprachen. Doch keine dieser Aussagen untermauert Trumps dramatische Darstellung der völligen Vernichtung.
Wie schon bei seinen Behauptungen über Wahlbetrug nutzt Trump eine bekannte Methode: Wiederholung statt Beweis. Er erschafft ein mediales Echo, in dem seine Version dominieren soll – egal, ob sie der Wirklichkeit entspricht.
Fehlende Klarheit, wachsende Widersprüche
Geheimdienstliche Bewertungen dauern. Doch Trump deklarierte die Mission bereits im Voraus als uneingeschränkten Erfolg. Diese voreilige Jubelstrategie zwingt ihn und sein Team, jede abweichende Analyse öffentlich zu diskreditieren.
Dabei gäbe es reale Erfolge: Der Angriff verlief ohne amerikanische Verluste, wurde technisch präzise ausgeführt und erzielte kurzfristige diplomatische Effekte. Doch durch seine Überhöhung der Operation verliert Trump die Möglichkeit, diese Leistungen glaubwürdig zu verteidigen.
Zudem lenkt die Iran-Debatte von anderen Errungenschaften ab – etwa der NATO-Einigung, bis 2035 fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Ein außergewöhnlicher diplomatischer Erfolg, der unterging, weil das Weiße Haus seine Iran-Kommunikation nicht im Griff hatte.
Auch innenpolitisch machte die Regierung Fehler: Demokratische Spitzenpolitiker wurden nicht vor dem Angriff informiert, und Briefings im Kongress wurden ohne klare Begründung verschoben. Diese Versäumnisse schwächen die Legitimität der gesamten Operation.
Ratcliffe erklärte später, Iran müsse zerstörte Anlagen jahrelang wieder aufbauen – doch auch er wich dem Begriff „Vernichtung“ aus. Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard blieb vage und sprach nur von „neuen Informationen“, ohne Details zu nennen.
Ob Iran Uranbestände verlagert hat oder geheime Nuklearanlagen weiterhin betreibt, bleibt offen – und damit auch die Glaubwürdigkeit von Trumps zentraler Aussage.
Politischer Druck auf die Sicherheitsarchitektur
Kritik an Trumps Narrativ wird als Angriff auf die Nation dargestellt. Dabei würdigten die Medien durchweg die Professionalität der eingesetzten Piloten – kritisiert wurde nur die politische Kommunikation. Die entscheidende Frage bleibt: Haben die eingesetzten Waffen wirklich die tief geschützten Zentrifugen in Fordow zerstört?
Die harsche Reaktion auf den internen Bericht des Pentagon zeigt: Die Regierung will die Deutungshoheit mit allen Mitteln sichern. Doch die Geschichte der USA lehrt, wie gefährlich es ist, wenn politische Interessen die Arbeit der Geheimdienste untergraben.
Sollten spätere Erkenntnisse zeigen, dass Iran weiterhin über wesentliche Teile seines Nuklearprogramms verfügt, verliert Trump sein zentrales Argument – und muss reagieren. Die Internationale Atomenergiebehörde hält es für möglich, dass Iran Uran vor den Angriffen verlagerte. Sollte dies bestätigt werden, wächst der Druck auf weitere militärische Maßnahmen.
Ein erneuter Einsatz könnte einen jahrelangen, kostspieligen Konflikt auslösen – ähnlich der Lage im Irak nach 1991, als die USA dauerhaft Flugverbotszonen durchsetzen mussten. Damit würde Trump genau das heraufbeschwören, was er zu vermeiden vorgibt.
Zwischen Annäherung und Ablenkung
Trotz all dieser Spannungen kündigte Trump Gespräche mit iranischen Unterhändlern an. Sondergesandter Steve Witkoff sprach sogar von der Möglichkeit eines umfassenden Friedensabkommens. Ein solcher Schritt wäre historisch – und könnte Trumps außenpolitisches Erbe prägen.
Witkoff erklärte, er glaube, dass Teheran verhandlungsbereit sei. Doch selbst wenn ein diplomatischer Durchbruch möglich wäre, stehen ihm mächtige Kräfte in Iran entgegen – etwa die Revolutionsgarde, die von der Konfrontation mit dem Westen politisch und wirtschaftlich profitiert.
Manche Analysten befürchten, dass der Angriff Iran darin bestärkt haben könnte, möglichst schnell eine eigene Bombe zu entwickeln – um zukünftige Angriffe zu verhindern. Sollte das Regime dann die Kooperation mit der IAEA verweigern, entfällt jede internationale Kontrolle.
Trump selbst dämpfte auf dem NATO-Gipfel die Erwartungen: „Ob es ein Abkommen gibt oder nicht – mir ist das egal.“ Eine Aussage, die seine gesamte Erzählung infrage stellt. Wenn Iran keine Bedrohung mehr darstellt, wozu dann überhaupt verhandeln?
Die nächsten Monate werden zeigen, ob Trumps Atom-Erzählung Bestand hat. Doch bereits jetzt ist klar: Sie basiert weniger auf Tatsachen als auf politischem Nutzen – und gefährdet dadurch Vertrauen, Diplomatie und sicherheitspolitische Stabilität.