Neue Verfahren verwandeln Batterieabfälle in die Energiequellen von morgen
Der Anfang der Zerkleinerung im Labor der Revolution
Ich stehe in einem Labor, in dem Batteriemüll ein neues Leben erhält. Zuerst zerkleinert das Team sie.
Was hier ankommt, heißt „Black Mass“ – ein feines Pulver, das durch das Zermahlen von Batterien entsteht. Jedes Körnchen ist kleiner als ein Millimeter. Techniker bei Altilium, einem Recyclingunternehmen im Südwesten Englands, gewinnen aus diesem dichten schwarzen Pulver wichtige Materialien.
Das Pulver enthält Kunststoffe und Stahl, die herausgefiltert werden müssen. Entscheidender sind jedoch die wertvollen Stoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt und Graphit. Diese seltenen Materialien bilden die Grundlage für neue Batterien, die hier im Labor hergestellt werden.
Da sich die Klimakrise verschärft, verändert sich das weltweite Energiesystem. Länder verabschieden sich zunehmend von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbarer Energie wie Solar- und Windkraft. Immer mehr Haushalte ersetzen Gasheizungen durch Wärmepumpen. Immer mehr Autofahrer kaufen batteriebetriebene E-Fahrzeuge.
Die Internationale Energieagentur meldet, dass 2023 fast jedes fünfte verkaufte Auto elektrisch war. Das bedeutete eine Steigerung um 35 % gegenüber 2022 – und führte dazu, dass nun 40 Millionen E-Autos weltweit unterwegs sind. Dieser Anstieg treibt die Nachfrage nach Batterien und ihren Bestandteilen stark an.
„Mineralien kommen nur in wenigen Regionen vor“, erklärt Christian Marston, Präsident von Altilium. Über die Hälfte des weltweiten Nickels stammt aus Indonesien. Zwei Drittel des Kobalts kommen aus der Demokratischen Republik Kongo – beides Regionen, die mit schweren Menschenrechtsproblemen im Bergbau verbunden sind.
Deshalb suchen Wissenschaftler und Firmen nach alternativen Rohstoffquellen. Recycling ist eine Möglichkeit, obwohl es technisch schwierig ist. Das Team von Altilium glaubt, eine funktionierende Lösung gefunden zu haben.
Im Inneren von Altilium: Vom schwarzen Pulver zu batteriefähigen Metallen
Altiliums Standort befindet sich im bescheidenen Tavistock. Um dorthin zu gelangen, fährt man über die windgepeitschten Hügel von Dartmoor und muss gelegentlich anhalten, um Schafe vorbeizulassen. Das Gebäude liegt in einem unscheinbaren Industriegebiet, gegenüber einer Reifenwerkstatt. Drinnen allerdings geschieht Außergewöhnliches.
Im Labor reihen sich Glasröhren mit leuchtend blauen und grünen Flüssigkeiten aneinander. Eine Technikerin im weißen Kittel und mit Schutzbrille überwacht den Prozess aufmerksam.
Hier befindet sich Altiliums Lösungsmittellabor, in dem Fachkräfte wertvolle Metalle aus der Black Mass gewinnen.
Das Unternehmen begann Ende 2020 mit der Arbeit. „Wir haben zwei Jahre wegen Covid verloren“, sagt Marston. 2022 mietete das Team das Gelände in Tavistock. „Es war nur eine leere Halle“, erinnert sich Technikchef Ben Wickham. Sie bauten Labore und entwickelten das Recyclingverfahren. Drei Jahre später eröffnet das Unternehmen eine neue, größere Anlage nahe Plymouth. Dort sollen recycelte Materialien für Batteriehersteller bereitgestellt werden.
Weltweit gibt es nur wenige Firmen, die Altbatterien aus E-Fahrzeugen recyceln. Diese Unternehmen bringen uns näher an klimaneutrale Ziele und an eine Kreislaufwirtschaft, in der kaum etwas weggeworfen wird.
„Wir müssen mit dem Mythos aufräumen, dass Batterien auf Deponien landen“, betont Marston. Da immer mehr E-Autos ihr Lebensende erreichen, steigt die Menge erschöpfter Batterien. Ihr Recycling verhindert, dass teure und giftige Stoffe in die Umwelt gelangen.
Globale Bewegung hin zur Kreislaufwirtschaft der Batterie
Auch in den USA gewinnt das Batterierecycling an Bedeutung. Amerikanische Firmen profitieren vom 2022 beschlossenen Inflation Reduction Act der Biden-Regierung, der Klimamaßnahmen fördert. Li-Cycle, gegründet 2016, betreibt Anlagen in Kanada, den USA und Deutschland.
Redwood Materials wurde 2017 von einem ehemaligen Tesla-Mitgründer ins Leben gerufen. Das Unternehmen unterhält Standorte in Nevada und South Carolina und arbeitet mit Toyota, VW und BMW zusammen. Auch traditionsreiche Firmen wie Ecobat Solutions in Texas steigen ins Batterierecycling ein.
Trotz des Interesses bleibt noch viel zu tun. „Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien steckt noch in den Anfängen“, sagt Xiaochu Wei vom Imperial College London.
Der Chemiekonzern BASF pausierte 2024 ein Recyclingprojekt in Spanien, will aber weiterhin eine Anlage bauen.
Batterien sind komplex aufgebaut, was das Recycling erschwert. Jede Batterie besitzt zwei Hauptteile: die Anode und die Kathode. Beim Entladen sendet die Anode Elektronen durch einen Stromkreis zur Kathode zurück. Beim Aufladen kehrt sich dieser Fluss um.
Diese Bestandteile sind spiralartig aufgewickelt, in extrem dünnen Schichten. Anoden bestehen oft aus Graphit – wie in Bleistiftminen – und Kathoden enthalten Nickel, Lithium und Kobalt.
Obwohl der Aufbau komplex ist, enthalten Batterien viele wertvolle Rohstoffe. Ihre Rückgewinnung lohnt sich. Der Haken: Die Materialien liegen eng vermischt vor – viele davon sind gefährlich. Einige Metalle sind giftig oder brandgefährlich.
Altiliums Zerkleinerungstechnik gewinnt Graphit aus den Anoden und andere Mineralien zurück. Früher geschah das durch Pyrometallurgie bei hohen Temperaturen – mit hohen Emissionen. Heute nutzt Altilium Hydrometallurgie mit Wasser und Schwefelsäure. Dadurch lässt sich Graphit herausfiltern und nach weiterer Aufbereitung wiederverkaufen.
Zurück bleibt eine saure Flüssigkeit mit gelösten Metallen. Gängige Metalle wie Kupfer, Aluminium und Eisen lassen sich durch Anpassung des pH-Werts als graues Pulver abscheiden – nutzbar etwa als Füllmaterial im Bauwesen.
Dann beginnt die Rückgewinnung von Nickel, Kobalt und Mangan. Die Lösung wird mit Kerosin und speziellen Chemikalien vermischt, um diese Metalle herauszuziehen – der Prozess mit den farbigen Glasröhren.
Wickham erklärt, dass sich ihr Verfahren leicht an neue Batterietypen anpasst. „Die Batteriezusammensetzungen ändern sich schnell“, sagt er. Er erwartet, dass Nickel künftig wegen seiner hohen Energiedichte eine größere Rolle spielt – auch wenn einige Hersteller es wegen der Kosten vermeiden.
Altilium will Metalle genau in den Mischungen liefern, die die Hersteller brauchen. Ziel ist ein vollständig geschlossener Batteriekreislauf in Großbritannien.
Ein strategischer Rohstoff für die Wirtschaft von morgen
„Irgendwann muss jede Batterie zerkleinert werden“, sagt Anna Hankin vom Imperial College London. Gemeinsam mit Wei forscht sie an einem Projekt, das Altilium unterstützt. Eine Regeneration der Batteriechemie ist nur begrenzt möglich.
Marston sieht das Recycling als Sicherheitsfrage. Statt Altbatterien ins Ausland zu exportieren, will er sie im Inland verarbeiten – unter besseren Umwelt- und Arbeitsbedingungen. „Wenn wir sie hier recyceln, bleibt der Wert auch hier“, sagt er.
Statt immer neue Rohstoffe wie Lithium oder Nickel zu fördern, sollten wir vorhandene Bestände wiederverwenden. Forscher schätzen, dass bis 2040 mehr als die Hälfte des Bedarfs durch Recycling gedeckt werden könnte.
In fünf bis zehn Jahren könnte Recycling laut Wei bereits 10 bis 40 % des Bedarfs an Rohstoffen für neue Batterien decken. Hersteller könnten dazu beitragen, indem sie ihre Batterien recyclingfreundlicher gestalten.
Die möglichen Vorteile sind erheblich. Laut einem Bericht von 2024 könnte besseres Recycling den globalen Bergbaubedarf bis 2050 um 40 % senken. Regierungen erlassen neue Regeln. Die EU etwa führt 2025 eine Batterieverordnung mit strengeren Anforderungen an Recyclingquoten und Materialrückgewinnung ein.
Diese Entwicklung dient nicht nur dem Umweltschutz. In den letzten 20 Jahren hat sich die Weltordnung durch Krisen wie den Brexit oder protektionistische US-Politik destabilisiert. Länder, die auf Importe angewiesen sind, sind besonders verwundbar.
„Die künftigen Wirtschaftsmächte kontrollieren die wichtigen Rohstoffe“, sagt Marston. Großbritannien verfügt über keine nennenswerten eigenen Vorkommen. Deshalb sieht er Batterien im Land als strategisches Gut.
Altiliums neue Anlage soll bald im Dauerbetrieb laufen. Bei Erfolg sind zwei noch größere Werke geplant.
„Wenn wir Batterien im großen Stil recyceln, können wir Materialien liefern, die 20 % günstiger sind als neue“, sagt Marston. Das würde etwa 150.000 recycelte Batterien pro Jahr bedeuten.