Deutschlands Wirtschaftsprobleme und politische Herausforderungen
Deutschlands Wirtschaftsprobleme politische Herausforderungen: Wenn die deutschen Wähler am Sonntag ihre Stimmen abgeben, wird die angeschlagene Wirtschaft im Mittelpunkt stehen. Die neue Regierung steht vor der schwierigen Aufgabe, das Wachstum wieder anzukurbeln. Doch Donald Trumps drohende Importzölle erschweren diese Herausforderung zusätzlich.
Ein Scheitern wäre teuer.
Falls die Parteien, die voraussichtlich eine neue Koalition bilden, das Wachstum nicht ankurbeln, droht ein Wahlsieg der rechtsextremen AfD. “Sie wissen, wer die nächsten Wahlen gewinnt, wenn sie scheitern”, sagte Carsten Brzeski, leitender Volkswirt der ING-Bank, und sprach damit aus, was viele befürchten.
Die deutsche Wirtschaft, die drittgrößte der Welt, stagniert seit der Pandemie. Sie schrumpfte sowohl 2023 als auch im Vorjahr, das erste Mal seit den frühen 2000er Jahren mit zwei aufeinanderfolgenden Rückgängen. Laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds soll sie dieses Jahr lediglich um 0,3 % wachsen.
Früher war die Lage anders.
Zwischen 2005 und 2019 florierte die exportorientierte Wirtschaft, gestützt auf billiges russisches Gas, hohe Nachfrage aus China und eine relativ offene Weltwirtschaft. Doch die globalen Rahmenbedingungen haben sich drastisch verändert, und Trumps mögliche Rückkehr ins Weiße Haus stellt eine neue Gefahr für Deutschlands Exporteure dar.
“Eine Welt ohne freien Handel als dominierendes Prinzip ist problematisch für Deutschland”, sagte Jacob Kirkegaard, Wirtschaftsexperte am Peterson Institute for International Economics in Washington, D.C.
Wirtschaftsreformen sind dringend notwendig. Die Wähler erwarten sie, denn die Wirtschaft ist laut Umfragen eines ihrer größten Anliegen. Zugleich sind Reformen entscheidend für den Wohlstand heutiger und künftiger Generationen, insbesondere mit Blick auf die wachsende Zahl von Rentnern.
“Eine unreformierte deutsche Wirtschaft bleibt eine stagnierende, alternde und verkrustete Wirtschaft”, betonte Kirkegaard.
Die schwächelnden Wachstumsmotoren – Deutschlands Wirtschaftsprobleme politische Herausforderungen
Exporte sind seit langem der Hauptantrieb der deutschen Wirtschaft. 2023 machten Waren- und Dienstleistungsausfuhren mehr als 43 % des Bruttoinlandsprodukts aus, der höchste Anteil unter den größten Volkswirtschaften, so die Weltbank. Die wichtigsten Exportgüter waren Kraftfahrzeuge und deren Teile, Maschinen sowie chemische Erzeugnisse.
Doch das internationale Umfeld hat sich gewandelt.
China wuchs in den vergangenen Jahren langsamer, während dortige Automobilhersteller wie BYD und Xpeng Marktanteile von westlichen Konkurrenten übernahmen. Deutsche Hersteller wie BMW, Mercedes und Audi waren lange auf den Verbrennungsmotor fokussiert und zögerten, massiv in Elektromobilität zu investieren.
Chinesische Hersteller sowie Tesla sind in der Skalierung der Produktion auf Millionen Fahrzeuge deutlich erfolgreicher, erklärte Kirkegaard.
Zudem zahlen deutsche Industriebetriebe seit dem Ukraine-Krieg höhere Energiekosten. Viele haben ihre Produktion gesenkt oder Standorte geschlossen. “Wir befinden uns mitten in einer Deindustrialisierung”, warnte Lars Kroemer, Chefökonom des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall.
Hohe Energiekosten, Steuern und strenge Regulierungen setzen der Industrie zusätzlich zu. Auch Investitionen werden durch Deutschlands “Schuldenbremse” begrenzt. Dadurch fehlen Gelder für Infrastruktur und digitale Verwaltung. “Wir haben noch nicht digitalisiert, unsere Bürokratie ist belastender als anderswo”, kritisierte Achim Wambach, Präsident des ZEW.
Trumps Zölle als zusätzliche Bedrohung
Monatelang drohte Trump mit höheren Importzöllen. Seit Januar hat er bereits eine 25-prozentige Abgabe auf Stahl- und Aluminiumimporte angekündigt, die im März in Kraft treten soll. Zudem prüft er sogenannte “Reziprozitätszölle”, die ausländische Tarife auf US-Produkte spiegeln würden.
Besonders alarmierend ist Trumps Ankundigung, im April eine 25-prozentige Abgabe auf importierte Autos, Halbleiter und Pharmazeutika einzuführen. Deutsche Exporteure wären stark betroffen, da die USA der größte Absatzmarkt für deutsche Waren sind und 10 % aller Exporte ausmachen.
Laut Prognos sind rund 1,2 Millionen deutsche Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Handel mit den USA abhängig. Das entspricht 2,6 % aller Arbeitsplätze im Land.
Wie sehr Deutschland insgesamt unter den neuen Zöllen leiden wird, hängt von deren Höhe ab. Die Bundesbank simulierte ein Szenario mit 10-prozentigen pauschalen US-Zöllen und 60-prozentigen Abgaben auf China-Importe. Das Ergebnis: Die deutsche Wirtschaft würde “erheblich leiden”, erklärte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel.
Selbst wenn deutsche Waren nicht direkt betroffen sind, könnte die Wirtschaft indirekt Schaden nehmen. Trumps 25-prozentige Zölle auf mexikanische und kanadische Importe sowie zusätzliche Abgaben auf chinesische Waren könnten Märkte verschieben. Beispielsweise exportiert Volkswagen Autos aus mexikanischen Werken in die USA, was durch die neuen Abgaben verteuert würde.
“Die Weltwirtschaft ist ein Netzwerk”, erklärte Michael Böhmer, Chefökonom von Prognos. “Setzt man irgendwo eine Zollhürde, spürt es fast die gesamte Weltwirtschaft.”
Die Lösung der deutschen Wirtschaftsprobleme erfordert mehr als nur eine Reaktion auf Trumps Zölle. Manche Experten fordern eine grundlegende Neuaufstellung des Wirtschaftsmodells.
Böhmer ist sich sicher: Falls Deutschland sich in den nächsten zehn Jahren nicht von “alten Industrien” wie Automobilbau, Maschinenbau und Stahlproduktion hin zu Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz bewegt, “wird es definitiv nicht mehr die drittgrößte Wirtschaft der Welt sein.”