Neue Wege beim Einsatz von GLP-1-Medikamenten
Immer mehr private Kliniken in Großbritannien bieten sogenanntes Microdosing von GLP-1-Medikamenten wie Ozempic, Wegovy oder Mounjaro an. Diese Off-Label-Nutzung bedeutet, dass Patient:innen geringere als die zugelassenen Dosen erhalten, oft mit dem Ziel, moderate Gewichtsreduktion oder andere gesundheitliche Effekte zu erzielen – ohne die starken Nebenwirkungen der vollen Dosis.
Ursprung in den USA, Trend in Großbritannien
Der Trend stammt ursprünglich aus den USA, wo die hohen Kosten für GLP-1-Medikamente viele Nutzer:innen zum Microdosing bewegten. Jetzt erreicht diese Praxis zunehmend private Anbieter in Großbritannien, darunter Kliniken in Leicester, London, Kent und Hertfordshire.
Beispiel: Healand-Klinik in Leicester
Die Healand-Klinik bietet Microdosing seit rund einem Jahr an. Rund 750 Patient:innen erhalten dort Dosierungen ab einem Fünftel der Standardmenge – für 175 £ im Monat. Laut Klinikleiter Dr. Omar Babar profitieren besonders perimenopausale Frauen, aber auch Männer zwischen 30 und 70 Jahren.
„Das Ziel ist keine komplette Appetitsperre, sondern eine sanfte Reduktion von Heißhunger“, erklärt Babar.
Viele seiner Patient:innen treiben regelmäßig Sport und arbeiten in anspruchsvollen Berufen. Sie wollen ihre Gesundheit aktiv kontrollieren.
Microdosing – so funktioniert es
Beim Microdosing zählt man gezielt die Klicks am vorgefüllten Injektionspen, um weniger als die zugelassene Dosis zu verabreichen. Die Methode verspricht:
- geringere Nebenwirkungen (z. B. weniger Übelkeit),
- günstigere Kosten,
- bessere Verträglichkeit im Alltag,
- möglicherweise andere gesundheitliche Vorteile.
Eine Patientin berichtet, sie habe 1 mg Mounjaro wöchentlich genommen – unter der empfohlenen Einstiegsdosis – und dadurch Schmerzen durch Endometriose reduziert sowie über 6 kg abgenommen.
Beliebt, aber nicht unumstritten
Trotz wachsender Nachfrage warnen Fachleute: Es fehlen klinische Studien, die Microdosing bei GLP-1-Medikamenten fundiert untersuchen. Die Fachzeitschrift The Lancet betonte im Februar, es gebe keine Belege für die Wirksamkeit dieser Methode bei Adipositas. Auch bariatrische Chirurg:innen in den USA sprechen von einer riskanten Grauzone ohne klare Datenlage.
Einfluss von Social Media und Prominenten
Bekannte Gesundheits-Influencer:innen wie Dr. Andrew Huberman oder Dr. Tyna Moore bewerben Microdosing auf Plattformen wie Instagram oder X. Ihre Botschaften richten sich vor allem an:
- perimenopausale Frauen ab 35,
- Leistungssportler:innen,
- Menschen mit chronischen Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen.
Manche bieten sogar kostenpflichtige Onlinekurse zum Thema an – ohne ärztliche Kontrolle, was weitere Kritik hervorruft.
Kommerzialisierung und regulatorische Lücken
Der Boom rund um GLP-1-Medikamente hat in Großbritannien zahlreiche Onlineanbieter wie Voy, CheqUp, Juniper oder Manual hervorgebracht. Viele Patient:innen zahlen privat – Preise zwischen 129 und 299 Pfund pro Monat – da die NHS diese Mittel nur stark eingeschränkt verschreibt.
Allerdings verschärfte die britische Werbeaufsicht ASA kürzlich die Regeln: Werbung für rezeptpflichtige Medikamente wie Wegovy ist nicht mehr erlaubt, insbesondere nicht in sozialen Medien oder durch Influencer.
Fazit: Viel Potenzial, wenig Evidenz
Während einige Patient:innen von positiven Effekten berichten, bleibt Microdosing bei Abnehmspritzen wissenschaftlich umstritten. Die Anwendung erfolgt off-label und ohne Langzeitstudien – selbst wenn viele Anbieter die Methode als sanfte und individuelle Alternative zum klassischen Einsatz vermarkten. Für die medizinische Fachwelt gilt: Vorsicht und genaue Aufklärung bleiben entscheidend.