Strenge Regeln zum Schulstart
In mehreren Schweizer Kantonen startet das neue Schuljahr mit einem klaren Kurs: Handys raus aus der Schule. Aargau und Nidwalden verbieten private Smartphones, Tablets und Smartwatches während der Schulzeit. Auch im Wallis plant der Staatsrat ähnliche Schritte. Das Ziel ist klar: Weniger Ablenkung, mehr Konzentration im Unterricht. Doch Expertinnen und Experten sehen in diesen Maßnahmen vor allem eine kurzfristige Lösung.
Ein Verbot spart Diskussionen – aber nicht Probleme
Bildungsforscher Stephan Huber von der Pädagogischen Hochschule Zug versteht das Anliegen hinter den Verboten. «Kantonale Regeln machen es einfacher – keine Diskussionen mit Eltern oder Schülern», erklärt er. Trotzdem warnt er davor, das Thema damit abzuhaken. Ein Verbot nehme den Kindern nicht die Faszination an digitalen Medien. Es verlagere das Problem nur nach draußen.
Schulen brauchen keine Einheitslösungen
Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer, sieht in den Verboten ein Zeichen: Die Schulen stehen unter Druck. Sie wollen Unterstützung und klare Regeln. Trotzdem hält Rösler flächendeckende Vorgaben für falsch. «Alle Schulen, die ich kenne, haben längst eigene Handyregeln», sagt sie. Zentral verordnete Verbote könnten sinnvolle, lokale Lösungen gefährden.
Was nach dem Unterricht passiert, bleibt unbeachtet
Kinder und Jugendliche leben digital – nicht nur im Klassenzimmer. Ein schulisches Handyverbot endet mit dem Schultag. «Was passiert am Nachmittag, wenn es keine Regeln mehr gibt?», fragt Huber. Für ihn steht fest: Es braucht einen umfassenden Erziehungsauftrag. Der Umgang mit digitalen Medien sollte über die Schule hinaus begleitet werden.
Medienerziehung gehört in den Alltag
Huber fordert, Medienbildung fest im Unterricht zu verankern. Jugendliche sollen die Mechanismen hinter Apps und Plattformen verstehen. Sie müssen lernen, mit digitalen Reizen umzugehen. Auch Eltern spielen dabei eine entscheidende Rolle. «Sie müssen zeigen, wann das Handy nützlich ist – zum Beispiel zur Recherche – und wann es stört», betont Huber.
Nicht das Gerät verführt – sondern die Algorithmen
Für Huber liegt das Problem nicht im Smartphone selbst. Die echten Gefahren stecken in der Funktionsweise der Apps. Algorithmen lenken die Aufmerksamkeit gezielt, schaffen Abhängigkeiten und isolieren. Wer Kinder schützen will, muss genau hier ansetzen. Nur wer diese Prozesse versteht, kann sinnvoll begleiten.
Jugendliche wünschen sich Klarheit – nicht Kontrolle
Studien zeigen: Viele Jugendliche sehen ihre eigene Mediennutzung kritisch. Sie berichten von Cybermobbing, Dauerstress und dem Wunsch nach mehr echter Freizeit. Dennoch fällt es ihnen schwer, sich abzugrenzen. «Manche merken, dass ihnen das Gespräch in der Pause fehlt», sagt Huber. Die Lösung liegt nicht im Verbot, sondern in der Vermittlung von Medienkompetenz. Schulen und Familien müssen Kinder begleiten – mit Regeln, Verantwortung und offenem Austausch.