Erste Sitzung unter neuer Führung beginnt mit heftig umstrittener Entscheidung
Am 25. Juni startet der neu berufene externe Impfstoffausschuss der US-Seuchenschutzbehörde CDC mit einer brisanten Debatte: Auf der Tagesordnung steht eine mögliche Abstimmung über den Einsatz von Thimerosal, einem quecksilberhaltigen Konservierungsmittel in Grippeimpfstoffen. Obwohl wissenschaftlich längst widerlegt, ranken sich seit Jahrzehnten Gerüchte um einen Zusammenhang mit Autismus.
US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hatte erst vergangene Woche das bisherige Beratergremium mit 17 Mitgliedern aufgelöst. Er warf ihnen Interessenkonflikte vor. Die neu eingesetzte achtköpfige Runde sorgt bereits für Aufsehen, da einige Mitglieder in der Vergangenheit als impfkritische Sachverständige aufgetreten sind. Einige behaupteten öffentlich, Covid-19-Impfstoffe würden junge Menschen töten und müssten sofort vom Markt genommen werden – ohne jegliche Beweise.
Wissenschaft kontra Politik: Die Thimerosal-Frage bleibt explosiv
Was genau im Rahmen der geplanten Diskussion über Thimerosal behandelt wird, ist unklar. Die Agenda nennt keine konkrete Präsentationsperson. Das Gesundheitsministerium verwies auf die öffentlich zugängliche Tagesordnung.
Thimerosal wird verwendet, um bakterielle und fungale Verunreinigungen in Impfstoffen zu verhindern. Laut CDC zeigen zahlreiche Studien, dass die geringe Menge im Impfstoff unbedenklich ist. Bereits 1999 forderte die US-Arzneimittelbehörde FDA die Impfstoffhersteller auf, Strategien zur Entfernung von Thimerosal vorzulegen. Inzwischen sind alle in den USA regelmäßig verabreichten Kinderimpfstoffe frei von Thimerosal.
Obwohl das Konservierungsmittel weitgehend entfernt wurde, stiegen die Autismusdiagnosen weiter an. Die CDC erklärt, das widerspreche klar der Behauptung, Thimerosal verursache Autismus. Kennedy hatte sich dem Thema bereits 2014 in seinem Buch „Thimerosal: Let the Science Speak“ gewidmet und Thimerosal als „bekanntes Nervengift“ bezeichnet. Die CDC unterscheidet jedoch klar zwischen Methyl- und Ethylquecksilber. Thimerosal enthält Ethylquecksilber, das schneller aus dem Körper ausgeschieden wird und weniger toxisch ist.
Dr. Paul Offit, Impfstoffexperte vom Kinderkrankenhaus in Philadelphia, kritisiert die Pläne des neuen Panels. Er warnt, dass eine erneute Verunsicherung der Öffentlichkeit zu Engpässen bei Grippeimpfstoffen führen könne. Ein Reformulierungsprozess wäre langwierig, teuer und würde die Versorgung gefährden – ohne zusätzlichen Sicherheitsgewinn.
MMRV-Impfung für Kleinkinder erneut auf der Agenda
Neben Thimerosal steht ein zweiter relevanter Punkt auf dem Programm: die MMRV-Kombinationsimpfung (Masern, Mumps, Röteln, Windpocken) für Kinder unter fünf Jahren. Die CDC weist darauf hin, dass der seit 2005 zugelassene Impfstoff ProQuad eine Injektion weniger erfordert, jedoch mit einem leicht erhöhten Risiko für Fieber und Fieberkrämpfe verbunden ist – insbesondere fünf bis zwölf Tage nach der ersten Impfung. Dieses Risiko lässt sich senken, wenn der Windpockenimpfstoff separat verabreicht wird.
Wer diesen Tagesordnungspunkt präsentieren wird, bleibt bislang offen. Auch Dr. Offit äußerte sich skeptisch über die Notwendigkeit der Diskussion, da dieses Thema bereits mehrfach umfassend behandelt worden sei.
Ursprünglich war die Sitzung auf drei Tage angesetzt. Laut einem Eintrag im Federal Register vom 9. Juni wurde sie jedoch auf zwei Tage verkürzt. Geplante Abstimmungen betreffen außerdem RSV-Impfstoffe für Schwangere und Kinder sowie Diskussionen zu Impfstoffen gegen Covid-19, Chikungunya und Milzbrand.
Von der Tagesordnung gestrichen wurden hingegen Themen zu Impfstoffen gegen Zytomegalievirus, Humane Papillomviren (HPV), Lyme-Borreliose, Meningokokken und Pneumokokken.
CDC-intern: Unmut über Reformen und Rücktritte aus Protest
Ein CDC-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, erklärte, die Streichung einiger Tagesordnungspunkte sei mit der Einarbeitung der neuen Mitglieder begründet worden. Er bezeichnete diese Erklärung als „vorgeschobene Ausrede“. Hätte man die alten Mitglieder nicht entlassen, wäre eine solche Einarbeitung überflüssig gewesen.
Zahlreiche Präsentationen – darunter zur Sicherheit von Covid-19- und RSV-Impfstoffen – stehen weiterhin ohne namentlich genannten Referenten in der Agenda. In der Vergangenheit hatten Dr. Fiona Havers und Dr. Lakshmi Panagiotakopoulos diese Themen behandelt. Beide traten in den vergangenen Wochen zurück.
Panagiotakopoulos begründete ihren Rücktritt in einer E-Mail an frühere Ausschussmitglieder. Sie habe ihre Karriere mit der Absicht begonnen, die Schwächsten zu schützen. Diese Aufgabe könne sie unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr glaubwürdig erfüllen.