Adam O’Neal übernimmt die Leitung einer strategisch neu ausgerichteten Abteilung
Am Mittwoch gab die Washington Post die Ernennung eines neuen Chefs für ihr Meinungsressort bekannt. Bereits vier Monate zuvor hatte das Medienhaus eine umfassende Neuausrichtung dieses Bereichs angekündigt. Adam O’Neal, bislang Washington-Korrespondent beim Magazin The Economist, übernimmt künftig die Verantwortung. In einem Video auf der Plattform X stellte er sich der Öffentlichkeit vor und skizzierte seine redaktionellen Ziele.
Neue Wertebasis: Freiheit, Optimismus und klarer Patriotismus
„Wir stehen fest hinter freien Märkten und persönlichen Freiheiten“, erklärte O’Neal im Vorstellungsvideo. „Wir werden auch eine klare patriotische Haltung vertreten“, fügte er hinzu. Seine Grundhaltung sei geprägt von Optimismus für die Zukunft der Vereinigten Staaten. O’Neal stellte klar, dass das Ressort keine ideologischen Vorgaben machen werde. Leser sollen sich eigenständig mit politischen Inhalten auseinandersetzen. Die angekündigte Ausrichtung folgt direkt der Linie, die Eigentümer Jeff Bezos im Februar vorgestellt hatte. Damals betonte Bezos dieselben Prinzipien und stieß damit auf ein geteiltes Echo in der Redaktion. Kritische Stimmen kamen unter anderem von Marty Baron, früherer Chefredakteur. Gleichzeitig erhielt Bezos Zustimmung aus konservativen Kreisen.
Rücktritt Shipleys nach Konflikten und öffentlichem Druck
Bezos hatte in einem X-Beitrag geschrieben: „Wir verteidigen zwei Prinzipien – persönliche Freiheit und freie Märkte.“ Gegenpositionen zu diesen Grundsätzen sollen künftig von externen Stimmen vertreten werden. David Shipley, der damalige Ressortleiter, lehnte das Angebot ab, unter dieser Linie weiterzuarbeiten. Sein Rückzug erfolgte nach vier Monaten anhaltender interner und externer Kritik. Die Zeitung sprach keine Wahlempfehlung für Kamala Harris aus, was Rücktritte im Redaktionsausschuss auslöste. Über 200.000 Leser kündigten daraufhin ihr Digitalabo. Zudem verweigerte Shipley die Veröffentlichung einer Karikatur von Ann Telnaes über Bezos und Trump. Die Pulitzer-Preisträgerin trat daraufhin zurück. Nach seinem Rückzug übernahm Mary Duenwald übergangsweise die Leitung. Ein offizieller Starttermin für O’Neal wurde bisher nicht genannt.
Redaktion soll Leser stärker ansprechen und Vertrauen zurückgewinnen
Verleger Will Lewis betonte in einer internen Nachricht laut Medienberichten die strategische Bedeutung der Personalentscheidung. O’Neal verstehe die Relevanz zugänglicher und glaubwürdiger Meinungsbeiträge für viele bislang übersehene Leser. Lewis erklärte: „Diese Berufung ist ein Signal für Erneuerung, nicht nur ein Personalwechsel.“ Die redaktionelle Stimme der Post solle enger mit dem gesellschaftlichen Diskurs verbunden werden. Lewis bekräftigte die parteilose Haltung der neuen Ausrichtung. Ziel sei es, die zentralen Werte Amerikas klar und konsequent darzustellen. Die Bekanntgabe erfolgte kurz nach einem freiwilligen Abfindungsangebot an langjährige Mitarbeiter. Dieses betrifft das Meinungsressort, die Videoredaktion und alle Redakteure mit zehn oder mehr Jahren Betriebszugehörigkeit. Die Abfindungen können noch bis Ende Juli angenommen werden.