Strategische Expansion nach Europa
Der chinesische Autohersteller Chery Auto zieht in Betracht, ein zweites europäisches Werk in Großbritannien zu errichten. Diese Überlegung folgt auf den Markteintritt der Marken Omoda und Jaecoo, die seit September in 75 britischen Autohäusern vertreten sind. Victor Zhang, UK-Direktor von Chery, erklärte auf der Jahreskonferenz des Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) in London, dass eine lokale Produktion ein zentraler Bestandteil der „Lokalisierungsstrategie“ des Unternehmens sei.
„Wenn wir hier dauerhaft präsent sein wollen, gehört auch Fertigung dazu“, so Zhang. „Wir führen Gespräche mit den relevanten Akteuren. Alles liegt auf dem Tisch.“
Chery hat nach eigenen Angaben bereits einen Marktanteil von 2 % am britischen E-Auto-Markt erreicht – auch durch die Nachfrage nach einem „super“ Hybridfahrzeug mit einer Reichweite von 90 Meilen bei rein elektrischer Nutzung durch Energierückgewinnung beim Fahren.
Antwort auf Handelshemmnisse und US-Zölle
Das Vorhaben ist Teil eines breiteren Trends chinesischer Hersteller, ihre Exportstrategien angesichts hoher US-Zölle anzupassen. Die von Donald Trump eingeführten Strafzölle zwingen chinesische Unternehmen zunehmend dazu, Produktionsstätten in Europa aufzubauen. Die EU hat bereits im vergangenen Sommer Importzölle auf E-Autos aus China eingeführt.
Während Geely über 3 Milliarden Pfund in Lotus Cars investiert hat und EVE Energy über eine Gigafabrik bei Coventry verhandelt, zieht es auch BYD und andere chinesische Firmen nach Europa: BYD errichtet ein Werk in Ungarn, Omoda kooperiert mit dem spanischen Autobauer Ebro bei Barcelona.
Die Entscheidung für den Standort Großbritannien wird durch das Handelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA begünstigt, das am Montag in Kraft tritt. Dieses senkt die US-Zölle auf britische Autoexporte von 27,5 % auf 10 %, was gegenüber der EU einen Wettbewerbsvorteil schafft. Für EU-Autos gelten weiterhin 25 % US-Zoll.
Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Sherard Cowper-Coles, Vorsitzender des China-Britain Business Council, betonte, dass chinesische Investoren verstärkt Interesse an Großbritannien zeigten – auch als Reaktion auf die protektionistische Haltung der USA. Zudem bereitet Nationaler Sicherheitsberater Jonathan Powell eine China-Reise im kommenden Monat vor. Auch Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds wird im September zur Gemeinsamen Wirtschafts- und Handelskommission reisen.
Reynolds bekräftigte außerdem, dass Großbritannien weiterhin an einem Abbau bestehender Zölle, etwa auf Stahl und allgemeine Importe, arbeitet:
„Ich kämpfe dafür, dass wir in die Stahlzoll-Ausnahmen aufgenommen werden und glaube, dass ein Deal möglich ist.“
Fazit
Der mögliche Bau eines Werks durch Chery in Großbritannien ist ein deutliches Signal für verstärkte wirtschaftliche Verflechtungen mit China. Gleichzeitig ist er eine Reaktion auf geopolitische und wirtschaftliche Verschiebungen, insbesondere im Kontext der US-Zölle und EU-Handelsbarrieren. Sollte sich das Vorhaben realisieren, würde es nicht nur die chinesische Präsenz auf dem britischen Automarkt stärken, sondern auch den Wettbewerb mit europäischen und US-amerikanischen Autoherstellern weiter anheizen.