Technik im Alter kann geistige Fähigkeiten fördern
Zwei Universitäten aus Texas analysierten frühere Studien, um den Einfluss lebenslanger Techniknutzung auf das Gehirn zu untersuchen. Die erste Generation mit dauerhaftem Zugang zu digitalen Geräten erreicht nun das Rentenalter. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wie sich diese Nutzung auf den geistigen Zustand auswirkt. Ihre Analyse, erschienen in Nature Human Behavior, prüfte die sogenannte „digitale Demenz-Hypothese“. Diese Theorie behauptet, dass ständige Techniknutzung die geistige Leistung auf Dauer schwächen könne.
Dr. Amit Sachdev, Leiter der Neurologie an der Michigan State University, war nicht beteiligt, betonte aber: Wer in jungen Jahren geistig aktiv ist, bleibt es oft auch im Alter.
Die Forscher fanden jedoch Hinweise auf das Gegenteil. In der Auswertung von 57 Studien mit 411.430 älteren Personen zeigte sich: Menschen, die Technik nutzten, hatten ein 42 % geringeres Risiko für geistige Einschränkungen. Dazu zählten Demenz, leichte kognitive Störungen oder schwache Leistungen in Gedächtnistests.
Digitale Aktivität bietet positive Effekte für das Altern
Die untersuchten Technologien umfassten Internet, E-Mail, soziale Netzwerke, Smartphones und Computer. Selbst bei Berücksichtigung von Bildung, Lebensstil und Einkommen blieb der positive Zusammenhang bestehen. Dr. Jared Benge, einer der Studienleiter und Professor in Austin, erklärte, dass diese Vorteile über andere Einflussfaktoren hinausgehen.
Die Wissenschaftler durchsuchten acht Datenbanken nach Veröffentlichungen bis einschließlich 2024. In ihrer Hauptauswertung berücksichtigten sie 20 Langzeitstudien (durchschnittlich sechs Jahre) und 37 Querschnittsstudien. Die Teilnehmer waren im Schnitt 68 Jahre alt.
Im Gesamtergebnis zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen Techniknutzung und geistiger Stabilität. Lediglich bei sozialen Medien waren die Ergebnisse uneinheitlich. Keine der 136 Studien, die insgesamt geprüft wurden, stellte einen negativen Einfluss von Technik auf das Denkvermögen fest. Dr. Michael Scullin, Mitautor und Professor in Waco, betonte die Seltenheit solcher übereinstimmenden Ergebnisse.
Dr. Christopher Anderson vom Brigham and Women’s Hospital lobte die Analyse als sorgfältigen Überblick über fast zwei Jahrzehnte Forschung. Er war selbst nicht beteiligt.
Bewusste Techniknutzung bleibt entscheidend
Trotz der positiven Ergebnisse raten Fachleute zu einem überlegten Umgang mit Technik. Benge warnte davor, die Studie als Freifahrtschein für endloses Scrollen zu deuten. Vielmehr zeigt sie, dass die Generation, die das Internet hervorbrachte, offenbar sinnvolle Wege zur Nutzung gefunden hat.
Trotzdem bleiben offene Fragen. Die Studien liefern keine Angaben zur konkreten Nutzung der Geräte. Daher ist unklar, welche Aktivitäten das Gehirn besonders fordern oder wie viel Nutzung für Vorteile nötig ist. Anderson merkte an, dass auch die Dauer der Nutzung nicht gemessen wurde – ein möglicher Risikowert bleibt somit unklar.
Sachdev erklärte, wie schwierig es sei, digitale Einflüsse einzeln zu untersuchen. Die Vielzahl an Geräten erschwert es, einzelne Wirkungen zu isolieren oder den Gesamteffekt zu bewerten. Anderson ergänzte, dass künftige Generationen andere Erfahrungen machen könnten, da sie Technik seit der Geburt kennen – im Gegensatz zur heutigen Rentnergeneration.
Benge sagte, dass die untersuchte Altersgruppe schon mit weit entwickeltem Gehirn zur Technik kam. Das beeinflusst, wie sich diese auf kognitive Fähigkeiten auswirkt.
Geistige Aktivität und soziale Kontakte bieten Schutz
Statt die Demenz-Hypothese zu stützen, spricht die Analyse für die „kognitive Reserve-Theorie“. Diese besagt, dass geistig herausfordernde Aufgaben im Leben die Denkfähigkeit im Alter stärken. Sachdev hält es für möglich, dass Technik das Gehirn fordert und dadurch schützt. Außerdem fördert digitale Kommunikation soziale Kontakte – und Einsamkeit gilt als Risikofaktor für Demenz.
Es ist denkbar, dass Menschen mit einem ohnehin aktiven Geist häufiger Technik nutzen – und nicht umgekehrt. Das könnte den Zusammenhang erklären.
Die Studie kann keine Empfehlungen zum optimalen Technikeinsatz geben, da sie keine Nutzungsdetails enthält. Anderson betonte jedoch: Eine ausgewogene Mischung aus Aktivitäten ist wahrscheinlich am besten – das deckt sich mit weiteren Erkenntnissen. Die Studie zeigt vor allem, dass moderater Technikeinsatz nicht automatisch zur geistigen Schwächung führt.
Sachdev rät zu maßvoller und sinnvoller Nutzung. Digitale Beschäftigung sollte Freude, Austausch, Kreativität oder geistige Herausforderung mit sich bringen. Auch Unterhaltung kann manchmal diesen Zweck erfüllen. Körperliche Beschwerden wie Augen- oder Nackenschmerzen deuten hingegen auf übermäßigen Konsum hin.
„Übermaß ist immer problematisch“, sagte Sachdev. „Man sollte Ziel, Dauer und Umsetzung bewusst wählen.“
Viele ältere Menschen meiden Technik, weil sie als zu schwer erscheint. Doch laut Scullin lassen sich auch Personen mit leichter Demenz im Umgang mit digitalen Geräten schulen. Die anfängliche Frustration ist dabei ein Zeichen geistiger Anstrengung – und genau diese kann dem Gehirn nützen.