Hohe Zölle sollen europäische Unabhängigkeit stärken und Kreml-Einnahmen verringern
BRÜSSEL – Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben am Donnerstag für deutliche Einfuhrzölle auf Düngemittel und landwirtschaftliche Produkte aus Russland und Belarus gestimmt. Die Maßnahme soll die wirtschaftliche Abkopplung von diesen Ländern vorantreiben und verhindern, dass europäische Zahlungen indirekt den Krieg in der Ukraine mitfinanzieren.
Ab dem 1. Juli treten die neuen Regelungen in Kraft. Stickstoffhaltige Düngemittel – auf die Russland derzeit rund ein Viertel der EU-Versorgung entfällt – werden dann nicht mehr mit 6,5 %, sondern schrittweise mit nahezu 100 % Zoll belegt. Dies betrifft Importe im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.
Darüber hinaus werden auch Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse aus Russland und Belarus künftig mit zusätzlichen Abgaben belegt – ein Handelsvolumen von etwa 380 Millionen Euro jährlich.
Maßnahme mit politischer und ethischer Dimension
Der Beschluss geht über reine Wirtschaftspolitik hinaus. Denn Russland erhebt selbst hohe Exportabgaben auf Düngemittel – ein bedeutender Einnahmeposten im russischen Staatshaushalt.
„Wir dürfen mit unseren Geldern nicht länger einen Krieg mitfinanzieren, den wir verurteilen“, betonte die lettische EU-Abgeordnete Inese Vaidere, die federführend an der Initiative mitgewirkt hat. Sie sieht die neue Zollpolitik auch als Absicherung gegen geopolitische Risiken in der Lieferkette.
Industrie zeigt Zustimmung, Landwirte warnen vor Belastungen
Die europäische Düngemittelbranche unterstützt die Entscheidung. FertilizersEurope-Präsident Leo Alders forderte eine rasche Umsetzung der neuen Vorschriften: „Nur wenn wir schnell handeln, können wir Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze in Europa langfristig sichern.“
Von landwirtschaftlicher Seite hingegen gibt es starke Vorbehalte. Cédric Benoist vom französischen Bauernverband FNSEA befürchtet steigende Produktionskosten: „Düngerpreise haben sich in den letzten Jahren bereits stark verteuert. Die neuen Zölle könnten die Lage für viele Höfe weiter verschärfen.“
Vor Inkrafttreten steigen bereits die Preise
Landwirte berichten, dass Hersteller aktuell zögern, Düngemittel auszuliefern. Sie spekulieren offenbar auf höhere Erlöse nach dem 1. Juli. Diese Zurückhaltung lässt die Preise bereits jetzt ansteigen – noch bevor die neuen Zölle überhaupt gelten.
EU-Strategie zwischen außenpolitischem Druck und Agrarrealität
Mit der Einführung dieser Importzölle setzt die EU ein deutliches Signal: wirtschaftliche Unabhängigkeit, ethische Verantwortung und geopolitische Stabilität sollen gestärkt werden. Gleichzeitig geraten jedoch viele Landwirte in Europa unter Druck. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Brüssel die Balance zwischen politischer Strategie und landwirtschaftlicher Tragfähigkeit halten kann.