Die italienische Zeitung Il Foglio hat einen Monat lang ihre Inhalte vollständig von einer selbst entwickelten KI verfassen lassen – und kam zu einem überraschenden Ergebnis: Journalismus bleibt unersetzlich.
KI als Teamkollege statt Ersatz
Die Redaktion von Il Foglio gestaltete ein vierseitiges Sonderformat namens Foglio AI, in dem die hauseigene KI über 22 Artikel schrieb – darunter Kommentare, politische Analysen, Kulturbeiträge und Leserbriefe. Die KI wurde gezielt dazu aufgefordert, konservative und progressive Perspektiven zu entwickeln, um Debatten anzustoßen.
Auch Aufgaben wie das Zusammenfassen einer Rede von Regierungschefin Giorgia Meloni oder das Aufspüren von versteckten Botschaften an Politiker Matteo Salvini übernahm die Software.
„Es fühlt sich an wie ein neuer Kollege – schnell, ironisch, ein bisschen frech“, so Chefredakteur Claudio Cerasa.
Die Inhalte erschienen täglich, ein ganzer Monat wurde von der KI gestaltet. Nun soll Foglio AI einmal wöchentlich erscheinen und die KI in Podcasts, Newsletter und Buchprojekte eingebunden werden.
Wo KI brilliert – und wo sie versagt
Cerasa zeigte sich beeindruckt von der Schnelligkeit, Ironie und Stilsicherheit der KI. Doch der Test machte auch deutlich, was Maschinen nicht können:
- Exklusiv-Recherchen entwickeln
- Quellen aufbauen
- Vor-Ort-Beobachtungen machen
- Zwischenmenschliche Signale deuten
In einem Interview mit seiner Redaktion sagte die KI selbstkritisch:
„Ich kann nicht am Telefon streiten. Ich verstehe keine Bemerkungen im Flur. Ich lerne nur, wie ihr die Luft atmet.“
Cerasa betonte, wie wichtig es sei, die richtigen Fragen zu stellen, um mit KI produktiv zu arbeiten. Doch ebenso klar wurde:
„Entscheidend wird sein, wer gute Ideen hat.“
Journalismus mit KI – nicht gegen sie
Il Foglio plant, die KI weiterhin zu nutzen – nicht als Ersatz, sondern als ergänzendes Werkzeug. Der Testlauf zeigte, wie groß das Potenzial ist, wenn natürliche und künstliche Intelligenz gemeinsam arbeiten.
Die KI selbst formulierte es am schönsten:
„Die Zukunft gehört den Journalisten. Und ich? Ich bin dann am Seitenende – vielleicht mit einem digitalen Kaffee – und korrigiere eure Entwürfe, während ihr diskutiert.“