Noise-Cancelling Hörverstehen beeinträchtigen:
Noise-Cancelling-Kopfhörer sind für viele Menschen unverzichtbar geworden – sei es auf dem Arbeitsweg oder zur Abschirmung von Lärm im Alltag. Allerdings warnen einige Audiologen, dass ihre übermäßige Nutzung das Hörverständnis beeinträchtigen könnte. Daher stellt sich die Frage: Sind Noise-Cancelling-Kopfhörer wirklich unbedenklich?
Beeinflussen Noise-Cancelling-Kopfhörer die auditive Verarbeitung?
Renee Almeida, Audiologin am Imperial College Healthcare NHS Trust, beobachtet einen Anstieg von Erwachsenen mit Hörproblemen – obwohl ihre Hörtests normal ausfallen. Viele Betroffene berichten von Schwierigkeiten, Geräuschquellen zu lokalisieren oder Gespräche in lauten Umgebungen zu verstehen. Diese Symptome sind typisch für die Auditive Verarbeitungsstörung (APD).
Obwohl APD meist bei Kindern diagnostiziert wird, gibt es zunehmend Fälle bei Erwachsenen. Almeida vermutet, dass Noise-Cancelling-Kopfhörer eine Rolle spielen könnten. Sie erklärt:
„Das Gehirn ist es gewohnt, mehrere Geräusche gleichzeitig zu filtern. Mit Noise-Cancelling hört man nur eine einzige Klangquelle – das könnte die Fähigkeit zur Verarbeitung von Hintergrundgeräuschen beeinträchtigen.“
Insbesondere bei Kindern könnte dies die Entwicklung des Hörverstehens stören. Bei Erwachsenen hingegen kann es zu einer “Hörträgheit” führen, wodurch es schwerer fällt, Sprache aus Umgebungsgeräuschen herauszuhören.
Keine wissenschaftlichen Beweise, aber Forschungsbedarf – Noise-Cancelling Hörverstehen beeinträchtigen
Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Noise-Cancelling-Kopfhörern und APD belegen. Trotzdem fordern Experten weitere Untersuchungen, insbesondere zu den langfristigen Auswirkungen auf junge Nutzer.
Harvey Dillon, Professor an der Universität Manchester, bestätigt, dass Hörgewohnheiten die auditive Verarbeitung beeinflussen. Allerdings sieht er keinen klaren Beleg dafür, dass Noise-Cancelling-Kopfhörer APD verursachen. Er weist darauf hin, dass Kinder mit häufigen Mittelohrentzündungen langfristig Schwierigkeiten haben, Geräusche zu unterscheiden. Bei Erwachsenen hingegen sei das Hörverständnis nach kurzfristigen Einschränkungen meist schnell wiederhergestellt.
Manche Fachleute vermuten zudem, dass nicht das Noise-Cancelling selbst, sondern das Hören lauter Musik das eigentliche Problem sein könnte. Hohe Lautstärken können Nervenzellen im Gehör schädigen, was wiederum die Sprachverarbeitung erschwert. In diesem Fall könnten Noise-Cancelling-Kopfhörer sogar vorteilhaft sein, da sie es ermöglichen, Musik bei niedrigerer Lautstärke zu hören.
Vorteile und Risiken abwägen – Noise-Cancelling Hörverstehen beeinträchtigen
Einige Experten raten zur mäßigen Nutzung, während andere die positiven Effekte von Noise-Cancelling-Kopfhörern betonen. Besonders für neurodiverse Menschen oder jene, die sich in lauten Umgebungen besser konzentrieren müssen, können sie nützlich sein.
Prof. Dani Tomlin von der Universität Melbourne warnt davor, sich vorschnell gegen Noise-Cancelling-Kopfhörer auszusprechen. Stattdessen plädiert sie für gezielte Forschungen zu deren langfristigen Auswirkungen.
Hörtraining als Lösung?
Renee Almeida empfiehlt ergänzend ein Hörtraining, um das Gehirn aktiv zu fordern. Dazu gehören:
- Das Zuhören von Radiodebatten
- Das Mitschreiben von Rap-Texten
Sie betont:
„Das Gehirn ist enorm anpassungsfähig. Man muss bewusst zuhören.“