Mikroben als Schutztruppe: Das unsichtbare Leben unter unserer Haut
Bakterien und Pilze bedecken unsere Haut und bewahren unsere Gesundheit. Forscher entwickeln Methoden, um diese Mikroben gezielt zu fördern.
Direkt unter der Hautoberfläche lebt eine aktive Gemeinschaft, die unsere Haut jung, glatt und gesund hält.
Diese Mikroben blockieren Krankheitserreger, unterstützen die Heilung und könnten UV-Schäden verringern.
Deshalb ist es wichtig, das Gleichgewicht dieser Hautflora zu schützen.
Eine beliebte Methode: lebende Mikroorganismen direkt auf die Haut auftragen.
Bereits 1912 testeten Wissenschaftler Bakterienbehandlungen bei Akne und seborrhoischer Dermatitis – einer entzündlichen Hauterkrankung mit Schuppenbildung.
Heute bieten viele Kosmetikmarken Cremes und Seren an, die das Hautmikrobiom ins Gleichgewicht bringen sollen.
Diese Produkte versprechen Erneuerung und Frische.
Doch die meisten enthalten keine lebenden Bakterien – obwohl sie als „probiotisch“ beworben werden.
Da sie als Kosmetika gelten, müssen Hersteller keine Studienergebnisse veröffentlichen.
Ihre Wirksamkeit bleibt deshalb oft unklar.
Ein Dermatologe aus Kalifornien erklärt, dass Kosmetikprodukte nicht denselben Tests unterliegen wie Medikamente.
Firmen dürfen also mit weniger Belegen werben.
Oft enthalten die Produkte Präbiotika, also Nährstoffe für gute Bakterien, oder Postbiotika – Stoffwechselprodukte gesunder Mikroben.
Ein Mitgründer eines Biotech-Unternehmens erklärt, viele Firmen möchten die Hautflora gezielt verändern, etwa durch Mikrobentransfers.
Lebende Bakterien überleben jedoch Produktion, Lagerung und Anwendung nur schwer.
Selbst wenn sie auf der Haut ankommen, kämpfen sie gegen bestehende Mikroben.
Wissenschaft testet Probiotika gegen Hautkrankheiten mit ersten Erfolgen
Experten glauben: Gute Hautmikroben verhindern das Eindringen schädlicher Erreger, indem sie ihren Platz verteidigen.
Wie Krankheitserreger jedoch Krankheiten verursachen, bleibt unklar.
Patienten mit Ekzemen, Akne oder Rosazea zeigen auffällige Mikrobenzusammensetzungen.
Ob diese Mikroben die Krankheit verursachen oder Folge davon sind, ist ungeklärt.
Ein Biotech-Forscher betont: Studien zeigen nur Zusammenhänge, keine Ursachen.
Die Krankheit könnte das Mikrobiom verändern – nicht umgekehrt.
Um eine Ursache zu beweisen, müsste man entweder Krankheiten mit „schlechten“ Mikroben auslösen oder mit „guten“ heilen.
Ersteres ist ethisch problematisch – darum testen Forscher die zweite Möglichkeit.
Frühe Studien bei Ekzemen zeigen vielversprechende Ergebnisse.
Besonders im Fokus: Staphylococcus aureus, der bei Betroffenen gehäuft vorkommt.
Ein Forschungsteam analysierte gesunde Haut und suchte Bakterien, die S. aureus unterdrücken.
Dabei identifizierten sie Staphylococcus hominis, das gesunde Haut häufig, aber Ekzemhaut kaum besiedelt.
Staphylococcus hominis produziert Peptide, die S. aureus abtöten, sowie Botenstoffe, die dessen Kommunikation blockieren.
Dadurch wird die Toxinfreisetzung verhindert.
2021 testete das Team eine Creme mit lebendem S. hominis an 54 Ekzem-Patienten.
Nach einer Woche verringerte sich S. aureus deutlich – einige Symptome besserten sich.
Derzeit läuft eine Folge-Studie über 14 Wochen, um die langfristige Wirksamkeit zu prüfen.
Weitere Studien zeigen ähnliche Ergebnisse.
2003 trugen 11 Probanden eine Creme mit Streptococcus thermophilus auf – die Ceramidproduktion stieg messbar.
Ceramide helfen, Feuchtigkeit zu speichern und die Hautbarriere zu stärken.
2018 behandelten Forscher Ekzempatienten mit Roseomonas mucosa – zweimal pro Woche, über 16 Wochen.
Nach der Behandlung verbesserten sich die Symptome bei vielen um über 50 Prozent.
Akne, Hautkrebs und mehr: Bakterien als neue Hautmedizin
Auch bei Akne laufen Forschungen mit probiotischen Ansätzen.
Cutibacterium acnes spielt eine zentrale Rolle – Forscher suchen Gegenspieler.
Ein Versuch mit Enterococcus faecalis zeigte: Die Lotion reduzierte Pusteln stärker als ein Placebo.
Ein weiteres Team testete 2019 spezielle C. acnes-Stämme – das Ergebnis: leichte Besserung der Akne.
Forscher analysieren zudem Staphylococcus capitis als potenzielles Akne-Mittel.
Tierversuche zeigen, dass es C. acnes hemmen kann.
Diese Methode schont die übrige Hautflora – im Gegensatz zu klassischen Antibiotika.
Ein anderes Forschungsteam fand einen Staphylococcus epidermidis-Stamm, der gegen UV-bedingte Hautkrebsformen wirken könnte.
Dieses Bakterium bildet Moleküle, die die DNA-Replikation in geschädigten Zellen blockieren.
Mäuse mit dieser Bakterienart entwickelten deutlich weniger Tumore.
Bevor dieser Ansatz beim Menschen anwendbar ist, sind jedoch umfassende Studien nötig.
Einige Forscher prüfen, ob Prä- und Postbiotika die allgemeine Hautgesundheit verbessern.
Ein Kandidat: Inulin – ein Pflanzenstoff, der als Nahrungsergänzung oder Creme wirkt.
In ersten Studien macht Inulin die Haut geschmeidiger und verbessert die Umgebung für nützliche Mikroben.
Auch das Enzym Sphingomyelinase – aus fermentierten Milchbakterien – steigert die Ceramidbildung.
Dadurch bleibt die Haut elastisch und widerstandsfähig.
Allerdings fehlen groß angelegte Doppelblindstudien, um die Wirksamkeit abschließend zu belegen.
Eine wissenschaftliche Übersicht besagt: Probiotika könnten Entzündungen und Wunden lindern – doch es braucht mehr Beweise.
Ein führender Dermatologe sieht die Forschung auf dem richtigen Weg.
Mikroben gezielt zu verändern sei vielversprechend – mit künftigen Fortschritten sei zu rechnen.
Gute Pflege statt Wundermittel: Was der Haut wirklich hilft
Für Menschen ohne Hautkrankheiten bringen käufliche Probiotika wahrscheinlich kaum sichtbare Vorteile.
Ein Experte warnt: Die meisten Produkte liefern keine starken Nachweise.
„Man kann sie ausprobieren – aber es lohnt sich nicht unbedingt.“
Wer seiner Haut trotzdem helfen will, kann auf bewährte Pflege setzen.
Sanfte Reinigung, Feuchtigkeit und UV-Schutz stärken das Mikrobiom.
„Gute Pflege schafft ideale Bedingungen für nützliche Mikroben“, erklärt der Dermatologe.
„Die Basics wie Eincremen und UV-Schutz fördern das natürliche Gleichgewicht.“