An Mexikos Nordgrenze sitzen tausende Migranten fest. Trumps verschärfte Maßnahmen verhindern ihre Weiterreise in die USA und machen sie anfällig für Schleuserbanden.
Kein Vor und Zurück für Schutzsuchende
Margelis Rodríguez hatte gehofft, in den USA Zuflucht zu finden. Sie stellte ihren Antrag und erhielt einen Anhörungstermin. Doch mit Trumps Amtsantritt wurden alle Verfahren gestoppt, die Grenzkontrollen verschärft und Massendeportationen eingeleitet. Nun sitzt die Venezolanerin mit ihren zwei Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft in Tijuana fest. Eine Rückkehr nach Venezuela kommt für sie ebenso wenig infrage wie der legale Grenzübertritt in die USA.
Ein paar Kilometer entfernt wartet Hector López auf seinen Bruder. Der Bauarbeiter wurde in San Diego von der Migrationspolizei ICE festgenommen, die in bestimmten Branchen verstärkt kontrolliert. López hofft, dass sein Bruder nach Tijuana zurückgebracht wird. Doch oft schiebt ICE Migranten an weit entfernte Grenzübergänge ab, um eine Rückkehr in ihre Netzwerke zu erschweren.
Überfüllte Unterkünfte und steigende Not
Obwohl Mexiko Auffanglager in Tijuana und Mexicali errichtet hat, bleiben sie weitgehend leer. Viele abgeschobene Migranten meiden die staatlichen Unterkünfte, weil sie sich vor der Nationalgarde fürchten oder schlechte Erfahrungen mit den mexikanischen Behörden gemacht haben. Korruption, Misshandlungen und unhygienische Zustände sind in Regierungslagern weit verbreitet. Vor zwei Jahren starben dort 40 Menschen bei einem Brand.
Dagegen sind private Unterkünfte wie die “Casa del Migrante” in Reynosa völlig überfüllt. Die Einrichtung bietet Platz für 150 Personen, doch derzeit sind 250 Migranten dort untergebracht – darunter 80 Kinder. Die Lebensmittelvorräte gehen zur Neige, und viele Flüchtlinge haben längst die maximal erlaubte Aufenthaltsdauer überschritten. Besonders Migranten aus Haiti, Kolumbien und Venezuela haben kaum eine Perspektive. Die mexikanische Regierung bietet zwar Busreisen für Mexikaner in ihre Heimatorte an, doch für Nicht-Mexikaner bleibt nur der unsichere Weg über die Grenze.
Schleuser passen sich verschärften Kontrollen an
Während legale Migrationswege blockiert sind, profitieren Menschenschmuggler von der Krise. Experten berichten, dass sich die Kartelle längst an die strengeren Grenzkontrollen angepasst haben. Schleuser werben diskreter, verlangen höhere Preise und wählen gefährlichere Routen. Früher hielten sich Migranten offen in Parks oder an Bahngleisen nahe der Grenze auf. Heute sind sie unsichtbar – versteckt in sogenannten “sicheren Häusern”, die von kriminellen Netzwerken betrieben werden.
Die Verstecke sind jedoch alles andere als sicher. Migranten werden Opfer von sexueller Ausbeutung, Zwangsrekrutierung oder Schutzgelderpressung durch Kartelle, die ihre Angehörigen in den USA erpressen. Der katholische Priester Prisciliano Peraza, der eine Migrantenunterkunft im Grenzort Altar betreibt, warnt vor den Folgen der Kriminalisierung. “Je mehr Migranten in die Illegalität gedrängt werden, desto mehr sind sie den Kartellen ausgeliefert”, sagt er.
Obwohl US-Regierungsquellen von einem Rückgang illegaler Grenzübertritte um 90 Prozent berichten, bleibt fraglich, wie lange dieser Effekt anhält. Viele Migranten, darunter auch Rodríguez, hoffen auf eine neue Gelegenheit. Sie hat eine mexikanische Aufenthaltsgenehmigung beantragt und sucht Arbeit in Tijuana. Doch Einwanderungsexperten wie Denise Gilman von der Universität Texas warnen: Das aktuelle System fördert illegale Einreisen mehr, als es sie verhindert. So profitieren letztlich vor allem die Schleusernetzwerke, die 2022 mit Menschenschmuggel über 600 Millionen Dollar erwirtschafteten.